DG - Postbiographien - Leben zwischen Fiktion, Fragment und Entwurf
Vergleiche auch:
- DG - IDENTITÄTEN IN DER POSTMODERNE
- DG - NOSTOS ALS UTOPIA - Eine Topographie des Unbehausten
- DG - The Nomadic Self - Reise als Spiegel der Seele
- DG - Kartografien des Werdens - Eine Reise durch Orte, Bilder und das Selbst
Hier ist dein redigiertes Essay mit dem Fokus auf Postbiographien – stilistisch geschärft, rhythmisch verdichtet und inhaltlich vertieft, ohne die poetische Offenheit zu verlieren:
Postbiographien – Leben zwischen Fiktion, Fragment und Entwurf
Fiktionen als Selbstschutz im Zeitalter des Ich-Designs
Fragmente einer fluiden Biographie
„Wir sind Geschichten – in Auflösung.
Was bleibt, sind Echos. Schwellen. Bilder, die sich bewegen. Räume ohne Ruhe.
Dieser Text ordnet Fragmente - nicht um sie zu vereinheitlichen, sondern um ihr Flackern zu bewahren.“
— Theodor (Doc) Yemenis
Proömion: Der lange Sommer der Theorie – und was davon blieb
Der lange Sommer der Theorie war mehr als ein Moment – er war ein Lebensgefühl.
Eine Ära, in der Denken, Kunst, Protest und Subversion Hand in Hand gingen: in Pariser Cafés, Berliner Hinterhöfen, Athener Nächten voller Diskurs und Desillusion – und auf Segelschiffen zwischen den Inseln der Kykladen, wo ich, von Wind und Wellen getragen, nach einer Ahnung von Identität suchte. Doch was bleibt von dieser Zeit in einer Gegenwart, in der die Biographie selbst brüchig geworden ist?
Biographien sind heute keine kohärenten Erzählungen mehr, sondern ästhetische Versuche, narrative Fragmente, postsouveräne Skizzen. Man schreibt sie nicht – man entwirft sie, löscht sie, performt sie. Was früher als Lebenslauf galt, ist heute ein Moodboard aus Rollen, Räumen und Reaktionen.
Die urbane Bühne: Städte als Möglichkeitsräume und Fragmentmaschinen
In Städten wie Berlin, Athen, Paris, Thessaloniki, Porto oder Marseille wird das Leben zur Choreografie zwischen Sehnsucht und Scheitern. Junge Menschen kommen, um ein Leben anzufangen, um Kunst zu machen, ein Studium zu beginnen, ein neues Selbst zu erfinden – oder einfach, um zu verschwinden.
Sie tragen mit sich: Skizzenbücher und Kunsthochschulabsagen, Träume und prekäre Existenzen, Hoffnung und Zerissenheit. Die Stadt verspricht Sichtbarkeit – aber verlangt Unsichtbarkeit, wenn man in Zwischenmietverhältnissen wohnt, sich durchschlägt, nachts arbeitet, tagsüber Kunst „macht“, immer mit einem halben Fuß im Burnout.
Postbiographien entstehen hier nicht trotz, sondern durch die Stadt – als Assemblagen aus Orten, Interfaces, Begegnungen und Brüchen.
Diskontinuitäten: Biographie im Modus der Lücke
Die klassische Biographie mit Anfang, Mitte, Ziel? Ein Anachronismus. Was bleibt, sind Diskontinuitäten: Zeitlücken, Ortswechsel, Phasenverschiebungen. Das Leben verläuft nicht linear, sondern als Loop, als Patchwork – mit Leerlauf, Wiederholungen, Sprüngen.
Zwischen dem, was man war, sein wollte, vorgab zu sein und dem, was man geworden ist, klaffen Räume.
Räume, in denen das Ich nach Form sucht.
Hinzu kommt die digitale Dimension: der Social-Media-Feed als simulierte Kontinuität, als Archiv des Ich-Entwurfs. Ein Strom von Bildern, Reels, Captions – oft entrückt vom gelebten Leben.
Biographische Wahrheit wird zur kuratierten Fiktion.
Fiktionen, Mythen, Entwürfe: Das Ich als ästhetische Konstruktion
In einer Welt ohne narrative Sicherheit werden Fiktionen zur Ressource. Nicht als Flucht, sondern als narrativer Selbstschutz, als poetisches Gegenbild zur Prekarität.
Man wird „Künstlerin“, „Philosoph“, „Nomadin“, „Archiv der eigenen Fragilität“.
Diese Begriffe sind keine Positionen, sondern fiktionale Marker – Projektionen auf ein zersplittertes Selbst, das durch Sprache, Geste und Ästhetik gerettet werden will.
Die Kunstszene wird so zur Matrix postbiographischer Existenz: ein Ort der Möglichkeiten, aber auch der Simulation. Hier verschränken sich Vision und Lücke, Performance und Prekarität.
Postbiographien schreiben sich nicht – sie entstehen: durch Texte, Gespräche, digitale Spuren, durch das Spiel mit Rollen und Masken.
Epilog: Bastelarbeiten des Selbst – Von der Kontinuität zur Komposition
Postbiographien sind Bastelarbeiten. Sie bestehen aus Momenten, nicht aus Meilensteinen.
Sie sind flüchtig, widersprüchlich, rekursiv.
Doch gerade diese Fragilität ist ihre Form.
Ihre Offenheit ist nicht Mangel, sondern Potenzial.
Sie entziehen sich der Totalisierung – und ermöglichen neue Formen des Erzählens: poetischer, fragmentierter, ehrlicher.
Sie sind Ausdruck einer Zeit, in der man nicht mehr „jemand wird“, sondern immer wieder neu jemand ist.
Vielleicht hat sich der lange Sommer der Theorie nicht aufgelöst –
vielleicht ist er in unsere Biographien gewandert.
In die Art, wie wir scheitern, durch Städte treiben, lieben, denken, erzählen.
In die Weise, wie wir uns nicht festschreiben, sondern immer wieder neu entwerfen.
🌀 Postskriptum:
Postbiographien sind kein Genre – sie sind eine Lebensform.
Sie entstehen in Lücken, Schwellen, Zwischenräume.
Sie glauben nicht an Vollständigkeit, sondern an Resonanz.
Sie erzählen nicht die Geschichte eines Lebens, sondern offenbaren:
Wie viel Schönheit in seiner Unvollständigkeit liegt – und im beständigen Entwurf.
ADDENDA
✦ Postbiographien: Leben jenseits der linearen Erzählung
In der klassischen Moderne galt die Biographie als eine Form der Ordnung: ein kohärenter Lebensbogen, der sich von Herkunft über Bildung, Beruf und Familie zu einem in sich geschlossenen Narrativ entwickelte. Doch im Zeitalter radikaler Unsicherheiten, digitaler Selbstdarstellung und prekärer Realitäten bricht dieses Modell zunehmend zusammen. An seine Stelle tritt die Postbiographie – ein Konzept, das nicht länger von linearer Zeit, festem Subjekt oder klaren Übergängen ausgeht, sondern von Fragment, Sprung, Simulation und Narrativbruch.
Der Begriff Postbiographie beschreibt jene Lebensformen und Erzählstrategien, die sich nicht mehr auf ein kontinuierliches Selbst verlassen (können oder wollen), sondern in diskontinuierlichen Episoden, Rollen, Projekten, Avataren oder performativen Identitäten manifestieren. Dabei entstehen Lebensläufe, die sich wie lose Netzwerke aus Versuchen, Neuanfängen, Scheitern, Migration, Umschulung, Umschreibung und Wiederholung zusammensetzen. Sie sind fluide, spekulativ, manchmal widersprüchlich – aber gerade darin offen für kreative Selbstaneignung.
Philosophisch gesehen öffnet die Postbiographie den Raum für eine Ethik des Unfertigen: Sie verabschiedet sich von der Idee des konsistenten Ichs und erkennt das Fragment als produktive Realität an. Die Suche nach Sinn verlagert sich vom „roten Faden“ zur Kartographie von Splittern, zur Kuratierung von Momenten, zur poetischen Montage des Gelebten.
Fiktion wird in diesem Prozess nicht zum Widerspruch der Wahrheit, sondern zu einem ihrer möglichen Träger. Sie dient nicht der Täuschung, sondern dem Schutz, der Deutung, der Schöpfung eines narrativen Atemraums – insbesondere in Zeiten, in denen ökonomischer und sozialer Druck kaum Raum für kohärente Lebensgestaltung lässt.
In der künstlerischen Praxis bedeutet das: Biographisches Erzählen wird spekulativ, collageartig, hybrid. Das Subjekt tritt nicht als geschlossenes Zentrum auf, sondern als Kurator seiner eigenen Spuren. Das Essay, das Skript, die Fotoarbeit oder der Film werden zu postbiographischen Zonen, in denen Identität durch Auswahl, Montage und Fiktionalisierung überhaupt erst erfahrbar wird.
Anwendung findet dieses Denken in experimentellen Dokumentarfilmen, autobiografischen Blogs, fragmentierten Instagram-Narrativen, autofiktionalen Romanen oder performativen Selbsterzählungen in Theater, Tanz und Social Media. Aber auch in alltäglichen Lebensführungen, wenn Menschen zwischen Berufen, Ländern, Genderrollen oder Sprachen navigieren und gezwungen sind, sich immer wieder neu zu entwerfen – nicht als leeres Spiel, sondern als Form der existenziellen Notwendigkeit.
Die Postbiographie ist kein Verlust, sondern eine Möglichkeit: Sie verwandelt den Bruch in Material, die Lücke in einen Ort, die Vielheit in eine Kraft.
Zwischen Ich und Interface: Postbiographien im Zeitalter der Lücke
Ein Mini-Paper über Biographien nach der Moderne, digitale Realitäten und die transformative Kraft der Fiktion
„Was bleibt von einem Leben, wenn es sich nicht mehr erzählen lässt? Vielleicht: Fragmente, Avatare, Interface-Echos. Vielleicht: Fiktionen, die wärmen.“
Die Erosion des Biographischen
In der Moderne war die Biographie ein Versprechen. Ein Weg. Eine Erzählung mit Ziel. Der bürgerliche Lebenslauf – von Geburt über Bildung und Beruf bis zur Pension – bildete das Rückgrat der westlichen Subjektkonstruktion. Doch in der spätmodernen Stadt, in einer Welt der globalen Verschiebung, der ökonomischen Instabilität und der digitalen Zersplitterung, bröckelt dieses Narrativ. Biographien reißen auf, verzweigen sich, stagnieren, kollabieren – oder entziehen sich vollständig der linearen Ordnung.
Postbiographien: Definition und Denkweise
Postbiographien sind nicht einfach misslungene Biographien. Sie sind eine neue Form, das eigene Leben in einer postindustriellen, postlinearen, postauthentischen Welt zu denken. Sie operieren nicht mehr mit klaren Anfängen und Enden, sondern mit Episoden, Disruptionen, Zwischenzuständen, Rollenwechseln und Identitätsentwürfen, die nicht auf Dauer, sondern auf temporäre Kohärenz zielen.
In einer Welt, in der Menschen zugleich Freelancer, Care-Arbeiter_innen, Instagram-Kurator_innen, Eltern, Performer_innen, Aktivist_innen oder Teilzeitphilosoph*innen sind, wird die Biographie zum Archiv multipler Selbste – und zur Baustelle.
Die Lücke als Raum
Postbiographien entstehen dort, wo Biographien reißen. Die Lücke – ob finanziell, zeitlich, sozial, emotional – wird zum zentralen Topos dieser Lebensform. Sie ist nicht nur Mangel, sondern auch Potenzialraum: für neue Narrative, alternative Zeitformen, spekulative Identitäten. In der Lücke kann das Ich atmen, flüchten, träumen, experimentieren.
Gerade in urbanen Zonen wie Berlin, Athen, Marseille oder Paris – Städte der prekär Kreativen, der Unfertigen, der Hybrid-Existenzen – sind diese Lücken omnipräsent. Zwischen Startup und ALG2, Atelier und Deliveroo-Job, Zwischenmiete und Residency, Instagram-Poetik und Zoom-Burnout entsteht das, was wir postbiographische Zonen nennen könnten: gelebte Orte des offenen Selbst.
Digitale Realität und Fiktionen
Im digitalen Raum wird die postbiographische Praxis zur ästhetischen Strategie: Profile, Avatare, Feeds, Stories – all das sind Werkzeuge der Selbstkuratierung. Zwischen Simulation, Performance und Erinnerung formieren sich hybride Ichs. Das Selfie ist keine Selbstdarstellung, sondern ein performativer Akt der Mikro-Existenzbehauptung. Die digitale Öffentlichkeit wird zur Bühne fragmentarischer Autorschaft.
Hier wird Fiktion zur Form des Selbstschutzes: Sie erlaubt es, Identität zu gestalten, ohne sie festzuschreiben. Sie schützt vor dem Zwang zur Authentizität, der paradoxerweise zur neuen Norm geworden ist. Fiktionen sind nicht Flucht, sondern Methode: zur Sinnstiftung, zur Selbsterhaltung, zur Zukunftsproduktion.
Postbiographien in der Kunst
In der künstlerischen Praxis haben sich postbiographische Formen längst etabliert: autofiktionale Romane, Essayfilme, Mixed-Media-Vlogs, poetische Instagrams, serielle Podcast-Gedankenfragmente. Diese Werke verhandeln nicht nur was erzählt wird, sondern wie: fragmentarisch, nicht-linear, emotional offen, multiperspektivisch. Sie sprechen nicht in der Stimme eines kohärenten Subjekts, sondern im Echo einer Existenz in Schichten und Schleifen.
✦ Schlussgedanke: Leben als Montage
Die Postbiographie ist keine Krise, sondern eine neue Grammatik des Lebens. Sie ist das, was bleibt, wenn Sicherheit, Struktur und Sinn sich auflösen – und dennoch etwas erzählt werden muss. Sie ist die Kunst, im Fragment Zuhause zu finden. Und vielleicht ist genau das die zentrale Aufgabe der Gegenwart: zu lernen, wie man inmitten der Lücken lebt – poetisch, politisch, prekär, produktiv.
✦ Ausblicke
Ein Text ist nie nur Text. Er ist ein Resonanzkörper. Ein Beginn. Ein lebendiges Skript, das sich transformieren, streuen, visualisieren lässt.
Was mit einem Essay begann – als theoretischer Entwurf, als Versuch, die Fragilität moderner Biographien zwischen Fiktion, Vision und Prekarität zu fassen – öffnet nun Räume für mediale Weiterführung. Denken wird performativ, Schreiben wird Bild, Fragment, Stimme, Bewegung.
- ▢ Visuelle Umsetzung als Kurzfilm
→ Der Essay als Voiceover: introspektiv gesprochen, begleitet von Fragmentbildern – Stadtlandschaften, Spiegelungen, digitale Rauschen, leere Räume – unterlegt mit einem urbanen Soundscape, der zwischen Tiefe und Lärm oszilliert.
→ Kamera als zweites Ich. Der Text als innerer Monolog einer fragmentierten Identität. - ▢ Poetische Reduktion für ein künstlerisches Manifest
→ Eine kondensierte Fassung in aphoristischer oder lyrischer Form, ideal für Ausstellungskontexte, Booklets, oder als Opening Statement einer künstlerischen Arbeit. - ▢ Social Media-Übersetzungen (Twitter, Threads, Instagram)
→ Sequenzierte Posts: Zitate, Textsplitter, urbane Fotos und Mikro-Videos – rhythmisch getaktet, visuell-literarisch erzählt.
→ Hashtags als Fiktionen, Kommentare als Echo. - ▢ Blog-Serie oder Vlog-Essay
→ In mehreren Episoden denkend erzählen: Vom Ausgangspunkt der Theorie bis zu ihrer Verkörperung in Bildern, Szenen, Städten, Begegnungen. - ▢ Fotoprojekt / Visual Essay
→ Eine analoge oder digitale Bildserie, die dem Text visuell nachspürt: Porträts von Menschen im urbanen Dazwischen, Orte der Lücke, der Konstruktion, des Rückzugs.
→ Textausschnitte als Teil der Bildmontage. - ▢ Live-Lesung mit Sound und Projektion
→ Intermediale Performance: Der Essay als szenischer Text, gelesen mit live gemischten Sounds, projizierten Bildern, Fragmenten aus Tagebüchern, Tweets, Träumen. - 📖 Booklet-Konzept: "ENTWÜRFE EINER POSTBIOGRAPHIE"
- Untertitel: Fragment, Spur, Selbst: Künstlerische und theoretische Reflexionen
Weiterdenken:
Der Essay ist ein Denkraum, kein Endpunkt. In der postmodernen Stadt ist jede Biographie ein Work-in-Progress – ebenso wie der Text über sie. Die Frage ist nicht nur Was erzähle ich?, sondern auch: Wie wird diese Erzählung lebendig? In welchem Medium entfaltet sie ihre größte Kraft?
„Die Fiktion beginnt nicht im Kopf – sie beginnt im Schnitt.“
✦ FIKTIONEN ALS SELBSTSCHUTZ
Medienübergreifendes Essay-Projekt über fragmentierte Biografien im urbanen Zeitalter
✧ Projektthema (Core Idea)
In posturbanen Lebensräumen wie Berlin, Athen oder Paris werden Biographien nicht linear geschrieben, sondern zerschnitten, unterbrochen, neu montiert. Lücken, Brüche, Virtualitäten und performative Identitäten prägen das Selbst. Dieses Projekt fragt: Welche Rolle spielen Fiktionen als Mittel des Schutzes, der Konstruktion, der Sinnsuche – und wie lässt sich dies erzählerisch, filmisch, fotografisch oder digital umsetzen?
✧ Leitmotiv
„Fiktionen als Selbstschutz: Über das fragmentierte Leben im Zeitalter des Ich-Entwurfs“
Ein essayistischer Ursprungstext wird zum medienübergreifenden Denkraum. Aus Theorie wird Narration, aus Narration wird Bild, aus Bild wird Performance.
✧ Medienformate & Umsetzung
▣ Essay-Film (5–12 Minuten)
Form: Voiceover-Essay mit urbaner Bildsprache, Split-Screens, Fragmentbildern, introspektivem Sounddesign.
Stil: Essayistisch-dokumentarisch, mit cineastischer Poesie.
Ästhetik: Kamera als Spiegel. Schatten. Leere Räume. Berlin bei Nacht. Splitter von Text, Stimme und Bild.
Ziel: Festivalbeiträge, Ausstellungen, Webveröffentlichung (YouTube/Vimeo).
▣ Fotoprojekt / Visual Essay
Medium: Fotografische Serie + typografische Textinterventionen
Inhalt: Portraits, Interieurs, urbane Bruchstellen (Hinterhöfe, Treppenhäuser, Fenster).
Verwendung: Ausstellung, Begleitpublikation, Bildband oder Webgalerie.
▣ Poetisches Manifest
Form: Reduzierte Textfassung als künstlerisches Statement.
Stil: Aphorismen, poetische Sätze, fragmentierte Gedanken.
Verwendung: Booklet, Installation, Ausstellungstext, Spoken Word-Performance.
▣ Social Media-Serie
Plattformen: Instagram, Threads, X
Form:
- Mikro-Texte & Bilder
- Reels mit urbanem Soundscape
- Mini-Essay als Karussell-Post
Hashtags: #FragmentierteIdentität #UrbanNarratives #postbiography #FiktionenAlsSelbstschutz
▣ Vlog-Essay / Blogreihe
Medium: Vlog oder Blog in mehreren Teilen
Inhalt:
- Making-of des Essays
- Theoretische Reflexion vs. persönliche Erfahrung
- Städte als Erzählräume
Ton: Persönlich, reflektierend, künstlerisch-theoretisch.
▣ Intermediale Performance (optional)
Form: Live-Lesung des Essays mit Projektionsfläche (Fotos, Videos) und Soundscape.
Format: 20–30 Minuten Performance für Festivals oder Diskursveranstaltungen.
✧ Zielgruppen & Kontexte
- Urban Studies, Medien- & Kulturwissenschaft
- Fotografie- & Filmfestivals (Essayfilm, Experimentalfilm)
- Literatur- & Kunstinstitutionen
- Kreative Communities, philosophische Influencer:innen
- Künstler:innen & Stadtbewohner:innen im Prekariat
✧ Narrative Keywords
#fragmentiert #postbiography #IchEntwurf #Stadtflucht
#MythosAlltag #FiktionenLeben #LückeAlsOrt #digitaleIdentität
#Selbstinszenierung #Zwischenräume #Prekarität
✧ Technische Umsetzung & Tools
- Kamera: BMCC6K, analog/digital Mix
- Textbearbeitung: Obsidian / LaTeX
- Filmschnitt: DaVinci Resolve Studio 20
- Ton: Field Recording + REAPER + Davinci Resolve Studio 20
- Publishing: Adobe InDesign (Print) / Squarespace / Substack
✧ Next Steps (Handlungsplan)
📖 Booklet-Konzept: "ENTWÜRFE EINER POSTBIOGRAPHIE"
Fragment, Spur, Selbst: Künstlerische und theoretische Reflexionen
☐ COVER
- Titel: ENTWÜRFE EINER POSTBIOGRAPHIE
- Visuelles: Schwarz-weiß-Textur einer abgeriebenen Wand, Palimpsest-Effekt, eventuell eine überblendete Zeichnung von William Kentridge
- Typo: Serifenlose elegante Schrift in Kapitalen, zentriert
- Rückseite: Ein Zitat von Foucault oder Lyotard
☐ INHALTSVERZEICHNIS
- Vorwor
- Reflexionen aus Theorie und Kunst
- Visual Essays / Bildstrecken
- Zitatstrecke
- Annotierte Literaturliste
- Künstlerische Positionierung / Methodische Notizen
- Dank & Credits
PROÖMION (1 Seite)
„Topografien des Selbst“
Fragmente einer reisenden Biographie
#TopographiesOfSelf #TopographieDesUnbehausten #TOPOGRAPHIES
Ein kurzer, poetisch-philosophischer Einstieg. Beispiel:
REFLEXIONEN AUS THEORIE UND KUNST (2–4 Seiten, bereits bestehender Text)
→ Der überarbeitete Text „Stimmen zur Postbiographie“ wird in einem ästhetisch gestalteten Fließtext gezeigt:
- Typografie: großzügiger Weißraum, klare Gliederung, Zwischentitel in Kapitälchen
- Bildzitate:
- Portraits der genannten Autor:innen (Foucault, Butler, Lyotard) als abstrahierte Halbtonbilder
- Arbeiten von Kentridge, Sophie Calle, Hito Steyerl, ggf. als kleine Inserts neben den Absätzen
VISUAL ESSAYS: Bildstrecken & Fragment-Ästhetik (4–6 Seiten)
Titelidee: "Ich bin ein Bild, das sich erinnert"
-
Konzeptionelle Fotografie / Filmstills meiner eigenen Arbeiten (z. B. aus ENDLESS LOOP oder LIFE REEL)
-
Jedes Bild wird von einem Satz begleitet:
- „Diese Geste war nie ganz meine.“
- „Das Selbst beginnt da, wo die Kontinuität reißt.“
- „Ich existiere in Wiederholungen.“
-
Layout: Wechselseitig eine Seite Bild, eine Seite Text. Collage- oder Überblendungstechniken.
ZITATSTRECKE: Stimmen der Fragmentierung (2 Seiten)
Eine typografische Inszenierung bedeutender Zitate, jeweils mit Autor:innen, Werk und Jahr. Vorschlag:
„Es gibt keine Autobiographie, die nicht eine Fiktion ist.“
– Paul B. Preciado, 2008
„Das postmoderne Wissen ist nicht mehr auf Totalität aus, sondern auf Fragmentarität.“
– Jean-François Lyotard, 1979
„Identität ist eine Wiederholung mit Differenz.“
– Judith Butler, 1990
„Erinnerung ist ein bewegtes Bild.“
– William Kentridge, o. J.
„Sichtbarkeit ist eine Form der Verletzlichkeit.“
– Hito Steyerl, 2012
ANNOTIERTE LITERATURLISTE (2–3 Seiten)
Kombination aus bibliographischer Angabe und kurzer Beschreibung. Beispiel:
- Michel Foucault: Ästhetik der Existenz
Einführung in die Idee, das Leben als ästhetisches Projekt zu gestalten – nicht normiert, sondern erfunden. - Jean-François Lyotard: Das postmoderne Wissen
Fragmentierte Subjektivität, das Ende der großen Erzählung – Grundlage für postbiographisches Denken. - Sophie Calle: True Stories / Suite Vénitienne
Die Kunst des Verschwindens und der Spurensicherung – Biographie als Narration im Spiegel. - William Kentridge: A Natural History of the Studio
Ein meta-künstlerisches Archiv des Machens – Kentridge verwandelt sein Atelier in eine Bühne für die Spuren des Denkens, Scheiterns und Neubeginens.
KÜNSTLERISCHE POSITIONIERUNG / METHODE (1–2 Seiten)
Ein kurzer Text von mir selbst – z. B. aus der Perspektive des Philosophical Content Creators. Idee:
„Ich benutze Bild, Schrift, Ton und Ort, um den Moment zu sezieren, in dem das Ich sich flüchtig zeigt.
Ich arbeite fragmentarisch, essayistisch, aus dem Ungefähren heraus. Mein Material sind Spuren –
Sprachreste, Bilder, Risse. Ich nenne das: postbiographisches Erzählen.“
🎨 Visuelles Gestaltungskonzept (Kurzfassung):
-
Farbwelt: Monochrom mit gezielten Farbakzenten (z. B. Rot für Zitate, Blau für Theorie)
-
Typografie: Kombination aus einer eleganten Serife (z. B. Garamond) für Fließtext und einer modernen Grotesk (z. B. Helvetica Neue) für Headlines
-
Papier / Digital: Als hochwertiges Zine oder als PDF mit interaktiven Links, evtl. animierte Bildflächen (für digitale Version)
-
QR-Codes / Links: zu Videoarbeiten, Soundscapes, Instagram- oder YouTube-Fragmenten deiner Arbeit
🎬 Behind the Scenes: Den Titel finden, das Thema fixieren
Die Arbeit an einem Essay beginnt selten mit dem Schreiben. Meist beginnt sie mit einem Suchen – nach Ton, Richtung, Haltung. Und vor allem: nach einem Titel.
Denn ein Titel ist mehr als eine Überschrift. Er ist eine Linse. Eine Behauptung. Manchmal sogar ein Versprechen.
Im Zentrum dieses Essays stand von Anfang an ein Gefühl: Dass das klassische Narrativ einer kohärenten Biographie – mit Anfang, Mitte und Ziel – brüchig geworden ist. Zerklüftet, urban, digital, prekär. Was heute entsteht, sind Postbiographien: Fragmente eines Selbst, das ständig zwischen Fiktion, Performance und Entwurf oszilliert.
Erste Titel-Entwürfe auf dem Denkweg:
🌀 „Fiktionen als Selbstschutz: Über das fragmentierte Leben im Zeitalter des Ich-Entwurfs“
Diese Fassung blieb nahe an der Ursprungsidee. Sie betont die radikale Pluralisierung heutiger Identitäten. Das „Zeitalter des Ich-Entwurfs“ verweist auf digitale Selbstinszenierung, Social-Media-Avatare und die neoliberale Zumutung permanenter Selbstoptimierung. Fiktion wird hier zur Überlebensstrategie.
🌫️ „Fiktionen als Zuflucht: Biographien zwischen Vision, Lücke und Prekarität“
Poetischer, sanfter. Hier treten Brüche und Lücken stärker in den Vordergrund. Biographien changieren zwischen Vision und Leere, Hoffnung und Unsichtbarkeit. Die Fiktion ist hier eher Trost als Taktik, eine poetische Form der Selbstrettung.
🌍 Weitere Alternativen, geboren zwischen Stadt, Simulation und innerem Exil:
-
„Zwischenräume: Biographien im Modus der Stadt“
→ Eine urbane Topologie fragmentierter Leben – Biographien als Pendelbewegung zwischen Orten, Nicht-Orten, Identitäts-Sedimenten. -
„Prekäre Träume: Lebenserzählungen im Zeitalter der Simulation“
→ Hier verbinden sich Virtualität, Kunst, Unsicherheit und Selbstverlust zu einem Kaleidoskop der spätmodernen Existenz. -
„Fiktionen als Selbstschutz: Über das Leben in Zeiten zerbrochener Biographien“
→ Diese Variante versucht eine Synthese: Theorie, Poesie, Kritik – eingebettet in die konkrete Erfahrung des Fragil-Seins.
Entscheidung & neuer Fokus:
Nach zahlreichen Iterationen kristallisierte sich schließlich ein Begriff heraus, der alles zusammenzuführen scheint: Postbiographie.
Ein Konzept, das den Bruch nicht repariert, sondern produktiv macht.
Ein Wort für Biographien nach der Kontinuität – in Zeiten, in denen Leben nicht mehr linear erzählt, sondern in Sequenzen, Loops und Interfaces fragmentiert wird.
🔖 Der Titel: „Postbiographien – Leben zwischen Fiktion, Fragment und Entwurf“
Dieser Titel öffnet den Denkraum. Er ist weniger diagnostisch als essayistisch, weniger Erklärung als Einladung.
Die drei Leitbegriffe – Fiktion, Fragment, Entwurf – bilden ein Koordinatensystem für ein Denken jenseits klassischer Selbstbilder.
Sie beschreiben eine neue Topologie des Ich: fluid, brüchig, aber auch voller kreativer Möglichkeit.
🎞️ Fazit:
Die Entscheidung für diesen Titel markiert nicht nur den Abschluss eines Denkprozesses – sondern den Beginn eines neuen Textes.
Denn die Postbiographie ist nicht nur Thema. Sie ist auch Form.
Der Essay wird selbst zum Fragment, zur Fiktion, zum Entwurf – ein sprechendes Beispiel für das, was er beschreibt.
Reflexionen aus Theorie und Kunst: Stimmen zur Postbiographie
#MichelFoucault #JeanFrancoisLyotard #WilliamKentridge
Die Frage nach der fragmentierten Biographie wurde in der Theorie wie in der Kunst vielfach aufgegriffen – oft ausgehend von Erfahrungen von Exil, Prekarität, digitaler Zersplitterung und ästhetischer Selbstermächtigung.
Michel Foucault sprach bereits in den 1970er Jahren von der „Ästhetik der Existenz“ – einem Leben, das nicht vorgegeben, sondern wie ein Kunstwerk komponiert wird. Judith Butler betont in ihren Arbeiten zur Performativität, dass Identität stets gemacht, wiederholt und verhandelt wird – nie abgeschlossen. Paul B. Preciado denkt die Autobiographie radikal neu, indem er sie als techno-transversales Manifest einer fluide gewordenen Subjektivität verwendet (Testo Junkie).
In der Literatur zeigen etwa Chris Kraus (I Love Dick) oder Annie Ernaux (Die Jahre), wie persönliche Erfahrungen als fragmentierte, kollektive und politische Erzählungen lesbar werden. Im visuellen Feld arbeitet Sophie Calle mit biographischer Leerstelle, Erinnerung, Spur und Selbstinszenierung – stets an der Grenze zwischen Fakt und Fiktion.
Besonders eindrucksvoll visualisiert William Kentridge die Logik der postbiographischen Existenz. In seinen animierten Zeichnungen und installativen Arbeiten wird das Selbst als Palimpsest sichtbar: als eine immer wieder überarbeitete, nie abgeschlossene Konstruktion. Seine Figuren sind Suchende in zerfallenden urbanen Landschaften – sie bewegen sich durch Räume der Erinnerung, Schuld, Utopie und politischer Instabilität. Das Biographische erscheint bei ihm nicht als kohärenter Lebenslauf, sondern als Choreografie von Spuren, Wunden und Wiederholungen – zwischen Geschichte und subjektivem Mythos.
Auch digitale Kulturen treiben diese Entwicklung voran: Hito Steyerl analysiert in ihren Essays und Videos die prekären Bedingungen medialer Sichtbarkeit und fragt, wie das „documentary self“ unter algorithmischem Druck neu formatiert wird.
Ein theoretisches Fundament für diese Denkweise legte Jean-François Lyotard, einer der bedeutendsten Philosophen der Postmoderne. In seinem einflussreichen Werk La Condition postmoderne wandte er sich gegen die „großen Erzählungen“ und plädierte für eine pluralistische Wissensform, die Heterogenität, Fragmentierung und Differenz als produktiv begreift. Für Lyotard ist das Subjekt kein einheitliches Zentrum, sondern ein instabiler Schnittpunkt diskontinuierlicher Kräfte – ein Resonanzraum multipler Sprachspiele, Erfahrungen und kultureller Einschreibungen.
Diese Stimmen kreisen um eine zentrale Einsicht: In einer Welt voller Brüche, Überlagerungen und medialer Überformungen wird das Selbst nicht erzählt, sondern entworfen, verhandelt, gefühlt – immer wieder neu.
📚 Kommentierte Literaturliste: Fragmentiertes Leben & Postbiographie
🧠 Theorie & Philosophie
-
Michel Foucault – Ästhetik der Existenz (in: „Der Gebrauch der Lüste“)
"Das Leben als Kunstwerk denken."
Foucault formuliert eine radikale Neuverortung der Biographie: Identität wird nicht entdeckt, sondern geformt – durch Praktiken, Gesten, Entscheidungen. Besonders relevant für die Idee der Biographie als Form, nicht Inhalt. -
Judith Butler – Gender Trouble / Undoing Gender
Identität ist nicht gegeben, sondern performativ hergestellt.
Butlers Theorie erlaubt, die Biographie als wiederholten Akt zu denken – fluide, wandelbar, situiert. Essentiell für die postbiographische Denkfigur. -
Paul B. Preciado – Testo Junkie
Autobiographie wird hier zu einem queeren Manifest, das Subjektivität neu codiert – zwischen Pharma, Porno, Philosophie und Liebe. Fragmentarisch, essayistisch, körperlich.
📚 Literarisch-Autofiktionale Zugänge
-
Annie Ernaux – Die Jahre
Kollektive Biographie einer Generation – geschrieben in Fragmenten, Eindrücken, Objektlisten. Zwischen Erinnerung und Dokumentation.
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Chris Kraus – I Love Dick
Autofiktion als Selbstermächtigung. Schreiben wird zur Performance – ein weiblicher Blick auf künstlerische Subjektivität.
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Édouard Louis – Das Ende von Eddy & Wer hat meinen Vater umgebracht?
Politische Biographien – erzählt durch soziale Brüche, Scham, Sprache, Herkunft. Klar, radikal, fragil.
🎥 Kunst & Film
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William Kentridge – Felix in Exile, History of the Main Complaint, The Refusal of Time
Zeichnung als Zeitmaschine. Seine Filme und Installationen zeigen das Selbst als Überlagerung von Erinnerung, Geschichte und Scheitern. Das Subjekt: nie ganz da, nie ganz weg – eine Spur.
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Sophie Calle – Suite Vénitienne, Take Care of Yourself
Künstlerische Biographien aus Abwesenheiten. Arbeiten mit dem Fragment, der Lücke, dem Zufall. Zwischen Detektivspiel und Trauerarbeit.
-
Hito Steyerl – How Not to Be Seen, Duty Free Art, The Wretched of the Screen
Sichtbarkeit als Gewalt. Ihre Arbeiten sezieren das „digitale Ich“, das algorithmisch produziert und archiviert wird – und die Möglichkeit, sich dem zu entziehen.
💬 Zitatstrecke – Stimmen für Zwischenräume
"Biographien entstehen nicht mehr aus einem Guss, sondern aus Fehlstellen."
— Theodor Yemenis (Essay)
"Wo es keine große Geschichte mehr gibt, entstehen kleine Erzählungen des Überlebens."
— Jean-François Lyotard (frei interpretiert)
"Ich lösche, radiere, zeichne neu. Jede Spur ist Erinnerung, aber auch Korrektur."
— William Kentridge
"Das Ich ist ein Ereignis im Sprachfluss – ein Effekt, nicht ein Ursprung."
— Judith Butler
"Meine Biographie gehört mir nicht allein – sie gehört auch denen, die mich lesen."
— Annie Ernaux
"Fiktion ist kein Eskapismus, sondern das Gegenmittel zur Realität, wenn diese nicht ausreicht."
— Paul B. Preciado
"Ich wollte wissen, ob ich noch sichtbar bin – oder nur ein Schatten auf dem Display."
— Hito Steyerl (aus How Not to Be Seen)